Geisternetze – eine tödliche Gefahr!
Die Meere sind nicht nur das größte Ökosystem der Erde, sondern sie bilden auch die Hauptnahrungsquelle für eine Milliarde Menschen. Gerade in Küstenregionen bildet die traditionelle Fischerei ihre Lebensgrundlage. Gefischt wird mit Netzen die, wenn sie herrenlos im Meer herumtreiben, eine große Gefahr für die Umwelt darstellen.
Was sind Geisternetze?
Als Geisternetze bezeichnet man frei schwimmende Fischernetze, die quasi herrenlos durch die Meere geistern. Die Ursachen für ihr herrenloses Dasein sind sehr unterschiedlich. Sie können beispielsweise durch Bootsunfälle in die Meere gelangen, oder sie gehen bei starken Stürmen über Bord. Manche Netze verhaken sich an Hindernissen, werden gekappt und einfach zurückgelassen. Aber auch bei der illegalen Fischerei werden sie von den Fischern gekappt und im Meer zurückgelassen, sobald die Fischer die Gefahr sehen entdeckt zu werden. Aber auch die ganz normale (Müll-) Entsorgung solcher Netze stellt ein großes Problem dar, da so die Kosten, die an Land anfallen würden, gespart werden.
Gab es Geisternetze nicht auch schon früher?
In den Anfängen der Fischerei wurden Netze aus Naturstoffen wie beispielsweise Hanf, Sisal oder Leinen hergestellt. Diese zersetzen sich und sind leicht vergänglich, sollten sie einmal in den Meeren verloren gehen. Doch seit den 1960er Jahren werden Netze nicht mehr aus Naturstoffen hergestellt, sondern aus synthetischen Stoffen wie beispielsweise Polypropylen, Polyethylen, Nylon (Polyamid) etc.. Diese verrotten sehr langsam, bis zu 600 Jahre kann dies dauern, und während dieses langwierigen Zersetzungsporzesses sind sie eine große Gefahr für die Meere und ihre Bewohner.
Welche Probleme verursachen Geisternetze?
Geisternetze sind eine große Gefahr für viele Meeresbewohner, die sich in ihnen verfangen und so nicht nur elendig zugrunde gehen, sondern auch einen völlig sinnlosen Tod sterben. Auch Seevögel sind davon betroffen, wenn sie sich in einem Netz verfangen, das an der Wasseroberfläche treibt.
Nach neuesten Studien machen Geisternetze unglauchliche 30% bis 50% des Meeresplastiks aus (je nach Region unterschiedlich). Sie tragen somit erheblich zur Vermüllung der Meere durch Plastik mit bei.
Geisternetze, genauer gesagt Teile davon, halten viele Tieren für Nahrung und fressen sie. Bereits bei der Nahrungsaufnahme können die Tiere daran ersticken, oder sich strangulieren, oder anderweitig verletzen. Gelangen die Plastikpartikel in den Magen-Darm-Trakt, können sie dort Entzündugen hervorrufen. Da sie auch schwer verdaut werden, lagern sie sich im Magen ab und die Tiere verhungern. Die aufgenommenen Plastikpartikel beeinträchtigen außerdem auch das Fortpflanzungsverhalten der Tiere.
Die aus synthetischen Materialien hergestellten Netze sind sehr langlebig (bis zu 600 Jahre), werden im Laufe der Jahre in immer kleinere Teile zerrieben, und tragen so zur Mikroplastik-Belastung der Meere erheblich mit bei. Nachgewiesen wurde Mikroplastik, das von Netzen stammt, nicht nur in den Körpern von Delphinen und Walen, sondern auch in viel kleineren Organismen wie z. B. Garnelen, Muscheln, Würmern und Schnecken. Mikroplastik gelangt aber auch in die menschliche Nahrungskette und wird in unseren Speisefischen gefunden.
Durch den sehr langwierigen Verrottungsprozess von Geisternetzen, fischen sie quasi sinnlos weiter. Die Netze fischen nicht nur frei treibend im Wasser, sondern auch noch wenn sie sich beispielsweise an Felsen, Korallen, Wrackteilen etc. verhakt haben. Neben Fischen werden Geisternetze vor allem für Luftatmer wie z. B. Robben, Wale, Meeresschildkröten, oder für Jäger wie Haie, Marlins, aber auch für Tauchvögel zur tödlichen Falle. Diese jagen ihren Beutefischen hinterher, die beispielsweise unter den schwimmenden Plastikinseln
an der Oberfläche, oder in den verhakten Netzknäuelen am Meeresgrund, Schutz suchen. Die Tiere unterschätzen die Gefahr, konzentrieren sich primär auf die Jagd und verheddern sich so in den Netzen oder finden nicht mehr rechtzeitig aus ihnen heraus (Luftatmer).
In Meeresschutzhebieten darf bekanntlich nicht gefischt werden, doch Geisternetze treiben auch in diese geschützen Zonen, da sie niemand aufhält. Auch hier setzen sie dann ihr zerstörerisches Werk ungehindert fort.
Wie groß ist das Problem für unsere Meere?
Generell ist die Vermüllung der Meere ein gewaltiges Problem - Anschwemmungen an den Küsten, selbst in entlegendsten Gebieten unseres Planeten, zeigen dies sehr deutlich. Ein Großteil davon ist Plastik, an dem Geisternetze einen Anteil von 30% bis 50% haben. Damit tragen Geisternetze nicht nur erheblich zur Vermüllung der Meere mit bei, sondern sie beeinträchtigen außerdem auch noch marine Lebewesen, von den kleinsten Krebstierchen bis hin zu den größten Meeresbewohnern, den Walen und Delphinen. Wie viele Netze jedes Jahr in die Meere gelangen, ist nicht bekannt. Schätzungen gehen allein für die Ostsee von 5.000 bis 10.000 Netzen und Netzteilen pro Jahr aus. Auch der auf dem Meeresgrund von Nordsee, Mittelmeer und Atlantik gefundener Müll besteht zu einem Drittel aus Plastiknetzen und Tauen aus der Fischerei. Auch an jedem der rund 1000 in der Nordsee vermuteten Schiffswracks, hängt wahrscheinlich ein Geisternetz bzw. ein Teil davon. Eine eher fragwürdige Berühmtheit hat der nordöstlich von Hawaii gelegene Große Pazifische Müllstrudel
(engl. Great Pacific Garbage Patch) erlangt. Hier hat sich Müll auf einer Fläche von ca. 1,6 Millionen Quadratkilometern angesammelt - das ist etwa 4,5 mal so groß wie Deutschland! Er besteht größtenteils aus Plastik (99%), von dem wiederum fast die Hälfte (46%, geschätzte 80.000 Tonnen) Plastiknetze und Taue aus der Fischerei sind.
Bestehen bereits Regelungen und Vorschriften?
In EU-Gewässern gilt für alle Mitgliedstaaten verpflichtend die Fischereikontrollverordnung. Sie besagt, dass die Entsorgung von Netzen, Tauen etc. (Fischereigerät) auf See verboten ist. Wenn ein Netz verloren geht, muss der Fischer versuchen es zu bergen. Ist dies nicht möglich, muss er es der zuständigen, nationalen Behörde melden, die sich dann darum kümmert. Da es jedoch keine Verpflichtung gibt, gemeldete Netze aus dem Meer zu bergen, bleiben die Behörden bis jetzt tatenlos.
Wie könnten Probleme mit den Geisternetzen gelöst werden?
Fischerei ist auf hoher See immer den Naturgewalten ausgesetzt. Daher wird es sich nicht vermeiden lassen, dass Netze über Bord gehen, oder gekappt werden müssen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang dann auch noch die Frage wer und vor allem wie soll das überhaupt alles kontrolliert werden? Und wer übernimmt die zu erwartenden Kosten dafür? Kontrollen könnten in der Küstenfischerei (nationale Gewässer) helfen, doch wären sie auf See (internationale Gewässer) unrealistisch. Aus diesem Grund würde ein generelles Verbot, dass die Entsorgung von Netzen auf See unter Strafe stellt, nicht greifen und wohl eher wirkungslos.
Du siehst, um das weltweite Problem mit Geisternetzen besser in den Griff zu bekommen, muss an anderen Punkten angesetzt werden. Alles fängt bereits bei der Aufklärung an. Fischer und ihre Crew müssen dahingehend aufgeklärt werden, dass sie verstehen, wie sehr Geisternetze den Lebensraum Meer - und damit ihre Erwerbsgrundlage – schädigen. Mit jedem auf dem Meer entsorgten Netzmaterial schaden sie sich selber und zerstören ihre lebenswichtigen Fanggründe. Es muss den Fischern und ihren Crews vermittelt werden, wie wertvoll und sensibel das Meer und seine Bewohner sind.
Altes, bereits im Meer befindliches Netzmaterial muss geborgen werden. An der Oberfläche treibende Gesternetze können beispielweise nach Sichtung mit Hilfe von GPS-Standortbestimmung markiert werden, unter Wasser könnte Sonartechnik helfen. An Riffen, Wracks etc., oder anderweitig am Boden verhakte Netze, müssen dann auch umweltverträglich gelöst werden. Dies kann größtenteils wohl leider nur mit Hilfe von Tauchern, Bergungsankern und Schiffswinden geschehen, und ist daher langwierig, kostenintensiv und risikobehalftet.
Von Fischern aussortierte Netze dürfen nicht mehr in die Meere gelangen und müssen an Land entsorgt werden. Um dies zu erreichen, muss es in den Häfen Annahmestellen geben, wo die Netze unkompliziert und kostenlos abgegeben werden können.
Behörden dürfen nicht länger tatenlos bleiben, wenn ihnen verlorengegangene oder herrenlos im Meer treibende Netze gemeldet werden. Es muss zu einer Verpflichtung werden, gemeldete Netze aus den Meeren zu bergen.
Aussortierte und aus dem Meer geborgene Netze müssen sinnvoll wiederverwertet (recycelt), und so dem Wertekreislauf wieder zugeführt werden.
Netze müssen mit Sendern versehen werden. Dies dient einerseits der Kennung, aber auch bei einem mögliche Verlust dem besseren Wiederauffinden.
Alle voran aufgeführten Maßnahmen müssen weltweit entlang der Küsten, auch in noch so kleinen Fischereigemeinden, etabliert werden, um die gravierenden Probleme mit Geisternetzen zu lösen.
Was kannst Du tun um zu helfen?
Neben bekannten Organisationen wie z. B. dem WWF, gibt es auch das Baltic Sea Heritage Rescue Project
. Dies ist beispielsweise eine Non-Profit-Organisation, die sich darauf spezialisiert hat in der Ostsee u. a. Geisternetze an tiefen Wracks aufzuspüren (beginnend im Bereich unterhalb von 40 Metern, das heißt unterhalb der normalen Tiefengrenze für Sporttaucher), diese zu bergen und fachgerecht zu entsorgen. Unterstützt wird das Baltic Sea Heritage Rescue Project von der Regierung in Litauen, dem Institute of Baltic Region History and Archaeology
(Herr Prof. Dr. Vlatan Zulkus), dem Technical Diving Network (TDN) und anderen.
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