Tauchen

Der DSD-Wahnsinn!

Der DSD-Wahnsinn!

Unter dem Titel Bedenkenswert teile ich meine Gedanken und Ideen über Situationen, die mir auf meinen Reisen aufgefallen sind. Es gibt Beiträge, bei denen weiß ich schon vor dem ersten Wort, dass es einen Aufschrei geben wird. Dies ist so einer...

Der Tauchsport ist eines der großen, sportlichen Abenteuer unserer Zeit, und viele Menschen wollen es einmal ausprobieren. Eine supermoderne Ausrüstung erfüllt heutzutage alle Wünsche, um den Tauchgang unter Wasser zu einem sicheren und unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen. Der Einstieg in den Tauchsport erfolgt normalerweise über einen DSD (engl. Discover Scuba Diving, dt. Entdecke das Tauchen), einem kurzen Einführungsprogramm mit Theorie und Praxis. So weit, so gut. Beobachtet man jedoch, wie diese DSD-Programme vor Ort in einer Vielzahl der Tauchcenter umgesetzt werden, kann dies für niemanden gut sein – nicht für den Kunden, und schon gar nicht für das Tauchcenter und damit für den Tauchsport insgesamt. Nachfolgend ein paar Gedankengänge, die mir Kopfzerbrechen bereiten.

Früher war alles besser - wirklich?

Vor Jahren war der Zugang zum Tauchsport nicht ganz so einfach, es gab kaum Tauchcenter, und die Taucher – eher Männer – galten als verschworene Gemeinschaft. Um einen Tauchschein zu bekommen, musste man viel mehr Zeit mitbringen als heute, und auch das Training sowie die Theorie war intensiver. Dies - und vieles mehr - hat sich über die Jahre hinweg grundlegend geändert. Nahezu überall findet man heutzutage ein Tauchcenter, und die Ausbildungsprogramme der Tauchorganisationen haben sich dem eng getakteten Leben unserer modernen Gesellschaft angepasst. Wo früher der Tauchschein das Ziel war, steht heute oft der Versuch nur einmal den Kopf unter Wasser zu haben im Vordergrund. Wo früher die solide und fundierte Tauchausbildung angestrebt wurde, scheint heute mehr das Entertainment wichtig zu sein. Klar, Zeiten ändern sich, doch es stell sich auch die Frage, ob man als TauchlehrerIn, Tauchcenter und Tauchorganisation wirklich alles mitmachen muss? Durch sicherlich gut gemeinte Anpassungen werden so nicht nur Probleme geschaffen, die nicht sein müssen, sondern auch die Zukunft einer der faszinierendsten Sportarten aufs Spiel gesetzt.

Probleme mit den DSD-Kunden

Wenn man die DSD-Kunden befragt, ist oft die Entscheidung einen DSD zu belegen eher eine Bauchentscheidung – speziell in Urlaubsgebieten. Kaum jemand hat sich vorher wirklich tiefgehende Gedanken über das Thema Tauchen gemacht und entscheidet so, als ob es um Vanilleeis oder Schokoladeneis geht. Bei der Frage, ob Schwimmfähigkeiten vorhanden sind, wird teilweise gelogen, was dem / der TauchlehrerIn dann später im Wasser seine / ihre Arbeit verständlicherweise nicht gerade erleichtert. Die Unterschrift unter das Formular Selbstauskunft über den Gesundheitszustand ist auch schnell gemacht, wobei Bluthochdruck, Diabetes, Asthma, eine aktuell aufkommende Erkältung, oder gerade genommene Medikamente in dem Moment gern einmal beiseite geschoben werden. Kurz vor dem Abtauchen zieht der DSDler dann die obligatorische Actioncam aus der Tasche, denn man muss ja sein Abenteuer unbedingt für die Nachwelt festhalten. Unter Wasser wird aus der Actioncam bis zum Anschlag alles herausgeholt was geht, jedem bunten Fisch hinterher gejagt, und selbstverständlich dürfen die Selfies auch nicht fehlen. Nach dem Tauchgang wird möglichst noch triefend nass die Fotoausbeute gesichtet und die besten Bilder auf die diversen Social Media Plattformen hochgeladen. Und hier kann der / die KundeIn dann schon einmal sauer werden, wenn das Internet zu langsam ist. Trifft man die DSDler dann ein paar Tage später und fragt noch einmal nach, wie ihnen denn das Tauchen gefallen hat, dann erzählen sie womöglich ganz begeistert vom Parasailing, wie toll das war, denn das haben sie heute erst gemacht. Wissen über das Meer und seine Bewohner, oder Interesse an der Unterwasserwelt, sind absolute Fehlanzeige. Es geht oft leider nur um Entertainment, das schnelle Erlebnis, den Konsum, ein neues Bild für das Profil auf Social Media etc., aber es geht nicht um das Tauchen und die Welt unter Wasser - schade.

Probleme für die TauchlehrerInnen

Aufgrund der großen Nachfrage werden DSD-Kurse immer mehr zu Massenveranstaltungen. TauchlehrerInnen müssen in der Regel das von der jeweiligen Tauchorganisation erlaubte Maximum an TeilnehmerInnen bewältigen. Eine große Gruppengröße schlägt sich aber immer negativ auf die Kursqualität nieder, denn der/ die TauchlehrerIn hat dadurch viel weniger Zeit für jeden / jede TeilnehmerIn. Zeit die fehlt um das notwendige Vertrauen aufzubauen, sich um die individuellen Fragen und Bedürfnisse aller TeilnehmerInnen zu kümmern, Anzeichen von möglichen Sicherheitsproblemen früh genug zu erkennen und nicht zuletzt den Spass zu vermitteln, den das Tauchen eigentlich macht. Wie beim Radfahren, so gibt auch der / die Langsamste beim Tauchen die Geschwindigkeit an. Soll heißen, sobald ein / eine TeilnehmerIn Probleme hat, muss der Rest der Gruppe warten. Der dadurch entstehende Zeitdruck (zwangsläufig bedingt durch Wassertemperatur und Luftvorrat) kann dazu führen, dass der / die TauchlehrerIn es mit der ein oder anderen Übung nicht ganz so genau nimmt, oder im schlimmsten Fall sogar wegfallen lässt. Im Wasser mutiert der / die TauchlehrerIn dann leider oft zum / zur BildkünstlerIn, um die Social Media Unterwasserfotos für seine / ihre DSDler zu machen. In Urlaubsgebieten, wo die Tauchsaison aufgrund des Wetters möglicherweise eingeschränkt ist, werden selbst bei schlechtesten Wetterbedingungen DSD-Kurse durchgeführt, denn der Rubel muss ja rollen (Dazu muss man wissen, dass TauchlehrerInnen oft eine Provision pro durchgeführten DSD bekommen). DSD-Kurse sind im Vergleich zu anderen Tauchkursen eine hohe Belastung für TauchlehrerInnen, da AnfängerInnen natürlich unselbstständiger sind, mehr Aufmerksamkeit und Betreuung benötigen, und weitaus mehr Fehler machen als TaucherInnen mit einer abgeschlossenen Grundausbildung. Diese permanente hohe Belastung führt zu Stress, Frustration und schlussendlich zu einem frühen Burnout. Die Ausbildung zum / zur TauchlehrerIn kostet viel Zeit, Geld, und ein Großteil der TauchlehrerInnen erlangt ihren Status unter großen Entbehrungen. Wenn dann der Großteil ihrer Arbeit darin besteht, DSD-Kurse durchzuführen, stellt sich so manch einer / eine die Frage Warum bin ich überhaupt TauchlehrerIn geworden? Wer selber keinen Spaß an seinem Job hat, kann auch schwer seinen Kunden den Spaß am Tauchen vermitteln.

Probleme für das Tauchcenter

DSD-Kurse sind für Tauchcenter ein Tagesgeschäft und daher auch schwer planbar, denn wer weiß schon wieviel DSD-Interessierte vor der Tür stehen werden? Dementsprechend ist es schwer mit seinem Personal zu planen. Da muss dann schon einmal der ein oder andere freie Tag für die Tauchlehrer verschoben werden, wenn der DSD-Andrang zu hoch ist. Dies wirkt sich wiederum negativ auf das Verhältnis zwischen Tauchcenter und TauchlehrerInnen aus. Die starke Arbeitsbelastung durch DSD-Kurse bewirkt eine hohe Frequenz an Personal, TauchlehrerInnen kommen und gehen. Eine gute Teambildung ist so sehr schwer, wenn nicht sogar nahezu unmöglich. DSD-Kurse sind im Vergleich zu allen anderen Tauchkursen ein zeitlich sehr kurzes Programm, was das Tauchcenter aus zweierlei Hinsicht unter Druck setzt. Zum einen ist der / die KundeIn verloren, wenn das Tauchcenter, den oft aus dem Moment heraus resultierenden Kundenwunsch, nicht umgehend erfüllen kann (weniger Umsatz). Zum anderen geben DSD-Kurse anderen Wettbewerbern die Möglichkeit, durch einfaches Preisdumping Kunden abzuwerben. Das Ziel dieser Strategie ist klar, ein – kurzfristiger – Einkommensverlust wird in Kauf genommen, um seine Marktanteile zu vergrößern, oder gar um Wettbewerber zu verdrängen. Dies funktioniert am besten bei DSD-Kursen, da hier das Volumen (Kunden) am höchsten, aber auch der finanzielle Einsatz der Kunden – und damit die Hemmschwelle - am geringsten ist. Somit hat ein Tauchcenter kaum die Möglichkeit sich und den Tauchsport angemessen darzustellen, denn es zählt in dem Marktsegement der DSD-Kurse Quantität statt Qualität. Die Kunden können den Unterschied im DSD-Angebot nicht erkennen, denn sie haben nicht die dafür notwendige Erfahrung. Für sie zählt der (möglichst günstige) Preis, und dass sie möglichst schnell anfangen können. Unter diesen Voraussetzungen ist es für ein Tauchcenter sehr schwer Stammkunden zu gewinnen, da die Kunden auf den schnellen Konsum fixiert sind. Bei der Durchführung kompletter Tauchkurse jedoch kann ein Tauchcenter besser auf die individuellen Bedürfnisse seiner Kunden eingehen, Vertrauen aufbauen, die Vielfalt des Tauchsports aufzeigen und so Stammkunden gewinnen. Stammkunden sind wichtig, denn sie sind die Garanten zur Abnahme von Ausrüstung, Reisen, Fortbildungskurse etc. und damit für den langfristigen Erfolg eines Tauchcenters. Nicht zu vergessen ist aber auch, dass DSD-Kurse immer vergleichsweise sichere und konstante Bedingungen erfordern. Aus diesem Grund werden sie oft am gleichen Tauchplatz durchgeführt, was wiederum die Unterwasserwelt dort sehr stark belastet (z. B. durch die hohe tägliche Frequentierung, das Aufwirbeln von Sand, knien auf Grund etc.). Der Aspekt Umweltbelastung spielt daher bei DSD-Kursen eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Die hier in diesem Beitrag beschriebene Situation soll keine Verallgemeinerung sein, denn es gibt auch gute Tauchcenter, wenn auch wenige, die großen Wert auf eine gute, qualitativ hochwertige und umweltschonende Ausbildung legen.

Probleme für den Tauchsport

Der Tauchsport steht in Konkurrenz mit vielen anderen (Wasser-) Sportarten. Daher ist es wichtig, Kunden zu begeistern und langfristig zu binden. Eine Massenabfertigung, gerade beim Einstieg in den Tauchsport, ist hier absolut fehl am Platz. Jeder Mensch hat bekanntlich seine ganz persönlichen Stärken und Schwächen. Wenn nun aber darauf nicht eingegangen werden kann, dann führt dies dazu, dass sich TaucheinsteigerInnen nicht wohl fühlen, negative Erfahrungen machen und sich schlussendlich anderen Sportarten zuwenden. Es kann keine Langzeitbindung an den Tauchsport generiert werden und es wird sogar auch noch ein schlechtes Image aufgebaut. Über die vergangenen Jahre hinweg hat sich ein rgelrechter DSD-Tourismus entwickelt. Wer heute als TauchlehrerIn in einem Urlaubsgebiet arbeitet, begegnet oft DSDlern, die mehr DSD-Tauchgänge absolviert haben, als ausgebildete TaucherInnen Tauchgänge geloggt haben. Dieser DSD-Tourismus verhindert, dass fortführende Tauchkurse verkauft und damit TaucherInnen gut und sicher ausgebildet werden. Zusätzlich fällt aber auch das Segment Verkauf von Tauchausrüstung weg, und damit ein wichtiges Standbein der Wertschöpfungskette. Und wie sieht es mit den TauchlehrerInnen aus? Nun, TauchleherInnen sind die Schlüsselfiguren in der Tauchsportindustrie. Sie sind ganz nah am Kunden, begeistern mit ihrer Leidenschaft für die Meere und die Welt unter Wasser andere. Unter teilweise erheblichen Entbehrungen lassen sie sich zu TauchlehrerInnen ausbilden, und treffen dann auf die hohen Arbeitsbelastungen durch den DSD-Tourismus. So wird der Beruf TauchlehrerIn sicherlich nicht attraktiver – ganz im Gegenteil. TauchlehrerInnen erfahren einen frühen Burnout, oder werden gar von vornherein vergrault.

Kann etwas geändert werden?

Glücklicherweise unterliegt der Tauchsport nicht dem Druck, jedes Jahr etwas Neues liefern zu müssen. Berücksichtigt man zudem noch die steigende Bedeutung individuell angepassten Dienstleistungen, so kann dies durch eine Neuausrichtung der DSD-Kurse zum Vorteil aller Beteiligten genutzt werden. Dazu müssten DSD-Kurse in kleinen Gruppen durchgeführt werden, maximal 2 DSDler pro TauchlehrerIn. Den TauchlehrerInnen müsste mehr Zeit zur Durchführung von einem DSD-Kurs zur Verfügung stehen, damit sie die Kunden umfassend aufklären können – gerade in Hinblick auf gesundheitliche Voraussetzungen – und individuell auf die Kunden eingehen können. Hierzu muss dann selbstverständlich auch das bestehende Entlohnungsmodel für TauchlehrerInnen angepasst werden, weg von Provisionen für DSDs, hin zu einem soliden Grundgehalt, das die persönlichen Qualifikationen, Sprachkenntnisse, Erfahrungen etc. mit einbezieht. Es könnte auch darüber nachgedacht werden, dass die Anzahl an DSDs pro Kunde limitiert wird, dafür aber Anreize für die Belegung eines Tauchkurses geschaffen werden, um so gut ausgebildete TaucherInnen zu bekommen, die sich verantwortungsvoll unter Wasser bewegen. Durch die voran beschriebenen Maßnahmen würde ein DSD-Kurs sicherlich teurer werden, aber auch eine Aufwertung erfahren, so wie der gesamte Tauchsport.

Fazit

Der Tauchsport bewegt sich auf eine Krise epischen Ausmaßes zu und der Grund dafür ist die Unfähigkeit, oder der Unwille, offen und ehrlich mit dem Thema DSD, TaucheinsteigerInnen umzugehen. So wie DSD-Kurse derzeit vielerorts praktiziert werden – Masse statt Klasse - hat keiner etwas davon. Die Kunden bekommen schlechte Qualität und werden eher abgeschreckt, die TauchlehrerInnen bekommen früh einen Burnout und verlassen den Tauchsport (Drop out), und die Tauchcenter können langfristig keine Stammkunden aufbauen, und verlieren so eine wichtige Geschäftsgrundlage. Der Tauchsport muss weg vom antiquierten Geschäftsmodel, muss seine eigene Identifikation finden und sich neu ausrichten. Die Verantwortlichen müssen eine Neuausrichtung hin zu einem hochwertigen Produkt einschlagen, und dies fängt bei den DSD-Kursen an. Dies wird den Tauchsport zwar teurer machen, ihn aber gegenüber anderen (Wasser-) Sportarten nicht in der Gunst der Kunden zurückwerfen, da es keine vergleichbare Sportart gibt, die sich so harmonisch in das moderne Freizeitverhalten unserer Gesellschaft einpassen lässt, wie der Tauchsport. Denn beim Tauchen, unabhängig von der Intensität, mit der dieser Sport betrieben wird, werden Mensch, Natur und Technik ideal miteinander verbunden. Man schwebt schwerelos durch die Stille, vom Wasser umschmiegt - man ist eins mit der Natur. Schillernde Farben, bizarre Schönheit. Erleben, erfühlen und verzaubert werden, darum geht es. TaucherInnen wissen, dass unter Wasser eine Wunderwelt auf sie wartet.

Mehr zu diesem Thema findest Du in:

Angstfrei tauchen

Ein Leitfaden für Tauchlehrer und Tauchausbilder.

Panik unter Wasser? Ein Alptraum für Tauchschüler und Tauchlehrer. Damit dies nicht geschieht, liefert das vorliegende Buch Tauchlehrern und Tauchausbildern wertvolle Informationen, wie man Stress oder Ängsten bei Tauchschülern erfolgreich begegnet. Die Autoren erläutern das menschliche Verhalten dabei sowohl aus wissenschaftlicher Sicht, also Warum haben wir Angst?, oder „Wie entsteht Angst überhaupt?“ und geben gleichzeitig zahlreiche Tipps, die in einer Akutsituation helfen - vor oder während des Tauchgangs. Auch auf die Besonderheiten beim Tauchen mit Kindern in den verschiedenen Altersgruppen geht das Werk ein.

Autor:
Frank Thiele
Verlag:
Springer Verlag, Berlin 2018
ISBN:
978-3662559154
Preis:
29,99 Euro
Frank Thiele - Official website
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